Privat begeistert sich Elvis für eine fernasiatische Kampfsportart: Jürgen Seydel, „Vater des deutschen Karate“, unterrichtet ihn erstmals in Bad Homburg. Die Anforderungen wie Energie, Präzision und Konzentration liegen Elvis. Fortan wird er die Karate-Leidenschaft in den USA mit populär machen und gern über die Philosophie dieser Form von Selbstverteidigung sprechen.
In der Freizeit unternimmt er mit Freunden Spritztouren nach München und Paris; die Presse berichtet über kurze Liebschaften (u. a. mit Vera Tschechowa).
Ein gefährliches „Medikament“
Wie macht Elvis das alles? Trotz guter körperlicher Verfassung wird die Erschöpfung morgens deutlicher. In der Armee kursiert ein Wirkstoff dagegen: Amphetamin. Elvis, der den Kontrollverlust durch Alkohol und andere Rauschmittel verabscheut, begrüßt nun dieses nützliche neue Mittel und wird dessen Gefahrenpotential zu spät erkennen.
Noch etwas begegnet ihm in Deutschland, das sein Leben verändert: Im September 1959 sieht er zum ersten Mal die 14jährige Offizierstochter Priscilla Beaulieu. Sie verehrt ihn schon lange und er verliebt sich Hals über Kopf in sie. Eine vorsichtige, zärtliche Beziehung bahnt sich an, aber der restliche Presley-Haushalt steht Kopf vor Angst: das darf nicht an die Öffentlichkeit! Acht Jahre später wird er Priscilla heiraten.
Die ’60er Jahre Elvis is back 1960: Elvis is back!
Recht schnell sind die Monate seines Militär-Dienstes herum, obwohl zwei Jahre für die schnelllebigen USA durchaus eine lange Zeit der Abwesenheit sind. Aber als Elvis am 2. März zurückkehrt, übertrifft der Empfang seine kühnsten Erwartungen: Überall wo der zug hält, der zurück nach Memphis bringen soll, jubeln ihm Tausende Menschen zu. Dass der Manager und die treuesten Fans die ganze Zeit über seinen Namen hochgehalten haben, wird er ihnen nie vergessen.
Ob die harte Militärzeit ihn ernüchtert hat? „Wie denn?“ Elvis versucht im Interview, ein Schmunzeln zu verbergen. Das Training war nichts gegen den Extremsport seiner Konzerte „und rocken und rollen tun Panzer auch ganz schön“.
Zu Hause gibt es natürlich keine Erholung, denn nicht nur seine Fans, sondern große Teile der Unterhaltungsindustrie warten dringend auf neues Material. Elvis ist bestens vorbereitet und kann es selbst kaum erwarten. Die Bandbreite der Aufnahmen in Nashville zeigt eindrucksvoll die weiter gereiften Besonderheiten seiner Stimme wie Fülle und Sanftheit bei größtem Tonumfang, Vielseitigkeit, Intensität, Leichtigkeit, und die erstaunliche Kontrolle, mit der er schnell hintereinander feinste Gefühlsnuancen wie Zärtlichkeit, Sehnen, Dringlichkeit und schwer zurückhaltbare Energie in rhythmische Musik übersetzt.
Erstmals zeigt er auch seinen gott-gegebenen Opern-Tenor. Ein Motiv für die Vielfaltikeit der Genres in seiner Musik ist sicherlich der Wunsch, die Kulturen des Einwanderungslandes Amerika zusammenzubringen. Und noch etwas unterscheidet seinen Gesang weiterhin von manch anderem: Humor und Selbstironie, die sich durchaus mit starker Empfindung vertragen.
„It’s Now Or Never“ („O Sole Mio“), „Are You Lonesome Tonight?“, „A Mess Of Blues“, „Stuck On You“, „Reconsider Baby“ werden weltweite Hits. Es folgt das Album „Elvis Is Back“.
In der Fernsehshow „Welcome Home, Elvis“ begrüßt Frank Sinatra ihn offiziell, lässt ihn singen und bittet ihn zum Schluss um ein Duett. tl_files/Bilder/Biografie/elvis-presley-frank-sinatra.jpg1957 hatte er den unerwünschten jungen Konkurrenten noch auf das heftigste abgelehnt.
Zwei neue Filme entstehen: „G. I. Blues“, eine leichte Musical-Komödie, zu der die Schauplätze der US-Armee in Deutschland noch während Elvis’ Stationierung gefilmt worden waren. Der Film spielt Millionen ein, und der Soundtrack wird zu einem der erfolgreichsten Elvis-Alben. Der Western „Flaming Star“ schlägt ernstere Töne an: es geht um das Schicksal eines Mannes mit weißem Vater und indianischer Mutter.
Im Oktober nimmt Elvis 13 Gospels auf, aus denen das Album „His Hand In Mine“ entsteht. Die befreundeten Sänger und Musiker im Studio (darunter Chet Atkins) spüren deutlich, dass diese Lieder aus tiefstem Herzen kommen.
Was will Elvis noch? Er ist reich, sehr berühmt, und inzwischen mögen ihn sogar alle. Hat er nicht erreicht, was er sich gewünscht hat, was überhaupt ein Mensch wünschen kann? So denkt jedenfalls Manager Parker, nachdem er einen langfristigen Vertrag mit Filmdirektor Hal Wallis in Hollywood unterschrieben hat. Der gefeierte Star gibt Anfang 1961 noch drei große Benefizkonzerte: zwei in seinem geliebten „Ellis Auditorium“ in Memphis, und eines auf seiner Lieblingsinsel: in Pearl Harbor, Hawaii.
Dann beginnt die Filmarbeit, auf die sich Elvis anfangs freut, weil er hofft, auch als Schauspieler reifen zu können. Aber schon bald gerät er in eine Mühle, aus der er nicht entlassen wird: auch weniger anspruchsvolle Musical-Komödien bringen Hollywood viel Geld, wenn Elvis die Titelrolle hat. Und dieses Geld soll er nun über Jahre hin zuverlässig beschaffen. Die nächsten Filme machen ihm noch Freude: In „Wild In The Country“ ist die Hauptrolle ernsthaft. „Blue Hawaii“ ist eine Komödie mit guten Nebendarstellern. Auch der Soundtrack ist geglückt: Rock, diesmal mit hawaiianischen Klängen, sowie „Can’t Help Falling In Love“, das sofort zum Welthit wird. Der Film wird zum erfolgreichsten Kassenschlager und damit zum Unglück für Elvis: das Muster für garantiert einträgliche Filme ist geboren und weitere Drehbücher dürften keine Mühe mehr machen: Hübsche Mädchen sind hinter Elvis her und er lässt sich nach etlichen Liedern und Problemen mit seinen Gegnern letztendlich doch einfangen. Erwähnenswert sind die Filme „Follow That Dream“ und „Kid Galahad“, in denen er sein komödiantisches Talent sowie seinen umwerfenden Charme zeigen kann. „Fun In Acapulco“ erfreut mit gekonnten lateinamerikanischen Einlagen, „Roustabout“ mit besserem Soundtrack. Nicht selten gibt es hoch-offizielle Unterbrechungen bei den Dreharbeiten, wenn fremden Regenten auf USA-Staatsbesuch ein Sonderwunsch genehmigt werden soll und sie Elvis kennen lernen dürfen.
Etliche Singles wie „Good Luck Charm“, „Return To Sender“, „Bossa Nova Baby“ werden Super-Hits.
In vielen weiteren Filmen kann er als Schauspieler und Musiker nur hoffnungslos unter seinem Niveau arbeiten. Obwohl er versucht, das Beste daraus zu machen, ist er innerlich todunglücklich. Spätestens jetzt erkennt er, dass seine künstlerische Laufbahn in eine Sackgasse geraten ist. Während er sich gefangen fühlt, erobern die „Beatles“ die Welt, die „Rolling Stones“, Bob Dylan – und weitere Stars, die von Elvis inspiriert wurden.
Der nächste Film „Viva Las Vegas“ wird jedoch ein Feuerwerk: die Dreharbeiten sind der Beginn einer wahren und tiefen Liebesgeschichte zwischen Elvis und Ann-Margret, dem talentierten schwedischen Co-Star und irgendwie springt der Funke auf den ganzen Film über.
Nur gerät Elvis dadurch auch privat in einen schlimmen Konflikt: während er hier die Frau gefunden hat, die ihn wohl als einziger Mensch tatsächlich versteht, lebt seine junge Freundin Priscilla abgeschirmt in Graceland und wartet auf ihn.
Mit dreißig Jahren ist er nicht mehr so gesund, wie er aussieht. Depression, Schlaflosigkeit sowie extreme Diäten und Training für seine sportlichen Filmrollen machen ihn anfällig für hohe Dosen von verschreibungspflichtigen Medikamenten.
Ausgleich und Trost findet er in seiner Lektüre zu Philosophie und Religion. Er schließt sich einer kalifornischen Bewegung an: „The Self-Realization Fellowship“, gegründet 1920 von dem Inder Paramahansa Yogananda. Die Lehren des Yogis sind ökumenisch, sie bieten einen Schirm für alle Weltreligionen und sind weit entfernt von Fundamentalismus oder charismatischem Personenkult. Im Überschwang seiner spirituellen Sinnsuche erschreckt Elvis einmal seine Umgebung, als er ernsthaft überlegt, ob er nicht in ein Kloster eintreten sollte.
Parker setzt alle Hebel in Bewegung, um ihn von seinen philosophisch und religiös interessierten Freunden zu trennen. Das gelingt ihm jedoch nur eine kleine Weile, denn das spirituelle Interesse und die innere Leere des Superstars sind hartnäckig.
Etwas kann ihm niemand nehmen: die Gospelmusik. Begeistert hört er unter anderen Odetta, Aretha Franklin und Mahalia Jackson. Im letzten Jahr war „Crying In The Chapel“ seine erfolgreichste Single, und nun will er ein dementsprechendes Album aufnehmen.
Am 25. Mai 1966 trifft er sich mit seinen Lieblingsquartetts „The Jordainaires“ und „The Imperials“ und drei Sängerinnen in Nashville. Auf mehrere temperamentvolle Gospels folgt eine etwas ungewöhnliche Wahl: ein schwedisches Kirchenlied aus dem 19. Jahrhundert: „How Great Thou Art“.
Weggefährte Jerry Schilling beobachtet eine besondere Stimmung im Studio: „Während er diese Hymne sang, wurde er bleich, erschüttert, wie in Trance. An seinem Gesichtsausdruck erkannte man, dass sein Gesang direkt aus der Seele kam. Danach war es lange still im Raum. Doch niemand dachte daran, dass Elvis soeben den Beitrag für seinen ersten Grammy geliefert hatte.
Am 1. Mai 1967 heiraten Elvis und Priscilla in Las Vegas. Die Zeremonie wird in einem Raum des Aladdin-Hotels gehalten, an der nur ein kleiner Kreis von Gästen teilnehmen darf. Später wird es noch einen Hochzeitsempfang auf Graceland geben.
In diesem Jahr erobert der König mit einem Satz seinen Thron zurück! Privat beginnt 1968 sanft und schön: Am 1. Februar wird das ungeduldig erwartete und unendlich geliebte Töchterchen Lisa Marie geboren. Rührende Schlagzeilen, etwa wie „The King Is Rocking His Baby“ können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Name Presley in der Rock-Szene nur noch als historisch angesehen wird.
Auch der Manager erkennt, dass es Zeit wird , dass Elvis sich wieder live als Musiker zeigt. Parker verhandelt wegen einer Fernsehshow mit dem Sender NBC. Doch Elvis ist zurückhaltend: wenn er jetzt wieder nur als braver „All-American- Boy“ vorgeführt werden soll, ist es endgültig aus. Erst als der Name des jungen Regisseurs Steve Binder fällt, stimmt Elvis zu. Binder hatte kurz zuvor seine eigene Karriere gefährdet, als er im Fernsehen zeigte, wie die englische Sängerin Petula Clark Harry Belafonte umarmt. Und Binder, in dessen Kreisen man Elvis gar nicht mehr wahrgenommen hatte, ist gleich bei der ersten Begegnung bezaubert: „Ich bin ein Hetero, wie er im Buche steht, aber jeder, egal ob Mann oder Frau, lässt alles stehen und liegen, um ihn anzuschauen. Er sah so gut aus. Auch wenn man gar nicht wüsste, dass er ein Superstar ist, würde man etwas Besonderes in seiner Gegenwart spüren.
Das Comeback, in dem Elvis die ersten „unplugged“ Konzerte gibt, gelingt nicht nur, es schlägt ein wie eine Bombe: „Wenn es je Musik gegeben hat, die blutet, dann diese.“ Mit einer Raubkatze wird er verglichen, in seinem schwarzen Lederanzug, so kraftvoll, dynamisch, explosiv ist sein Rock, so sanft und elegant sind seine Balladen.
Das Schlusslied „If I Can Dream“ ist seine Hommage an den verehrten Martin Luther King, dessen Ermordung, ausgerechnet in Memphis, Elvis furchtbar erschüttert hat.
In diesem Jahr gibt es zwei berufliche Höhepunkte:
Im „American Sound Studio“ in Memphis, das mit seiner erstklassigen Band auch von Dusty Springfield, Neil Diamond und Roy Hamilton genutzt wird, nimmt Elvis 30 neue Lieder auf, mit Elementen aus Rock, Blues, Soul und Country. Die jungen Bandmusiker, die einiges auf ihren hochmodernen Stil halten, sind schwer angetan von Elvis. Es entstehen viele große Hits wie „Long Black Limousine“, „Kentucky Rain“, „Stranger In My Own Home Town“. Die wichtigsten aber sind „Suspicious Minds“ und „In The Ghetto“. Das letzte Lied appelliert an soziales Mitgefühl und tiefempfundene Sehnsucht nach einer besseren Welt, etwas, das Elvis auf beinahe unheimliche Art vermitteln kann.
Viel spektakulärer verläuft jedoch die Eroberung von Las Vegas: als bekannt wird, dass er nach 8 Jahren endlich wieder auf die Konzertbühne zurückkehren wird, und zwar in das neue „International Hotel“ in Las Vegas, gerät die glamouröse Stadt des Showbusiness in ein alle infizierendes Elvis-Fieber.tl_files/Bilder/Biografie/elvis69.jpg Die einen freuen sich vor allem auf gute Geschäfte und die anderen, auch internationale Fans und Stars, können es kaum erwarten, die Legende mit bloßen Augen zu sehen oder wiederzusehen.
Bevor Elvis am 31. Juli mit der Konzertreihe beginnt, sind alle 57 Konzerte mit jeweils 2200 Zuschauern ausverkauft. Nach wochenlangen Proben mit einer Top-Besetzung an Musikern und Begleitsängern präsentiert sich Elvis in Höchstform, dynamisch und selbstsicher wie nie zuvor. Weit entfernt von dem Elvis der ’50er Jahre, aber durchaus mit geschichtlicher Dimension, setzt er wieder ganz neue Standards.
Das aufregende „Presley-Feeling“ ist immer noch das gleiche, die Körpersprache immer noch wild, aber disziplinierter: die Befreiungstanzschritte sind durch gekonnte, karate-inspirierte Bewegungen ersetzt. Die Konzerte rufen eine überwältigende Reaktion hervor. Die Kritiker sprechen enthusiastisch vom eindrucksvollsten Comeback der Rock-Geschichte und andere Stars freuen sich begeistert mit ihm.
Bei all dem erledigt er in diesem Jahr die restlichen Verpflichtungen aus Hollywoods Mammutvertrag. Dass der letzte Spielfilm, „Change Of Habit“, sogar ausgesprochen sehenswert ist, merken viele nicht mehr: der wirkliche Elvis lenkt sie ab.
Nun gibt es kein Zurück mehr. Wegen der unerschöpflichen Ticket-Nachfrage will das Management des „International“ (später „Las Vegas Hilton“) sich sofort mit Colonel Parker an einen Tisch setzen, um neu zu verhandeln. Der inzwischen schwer spielsüchtige Manager, dem es in Las Vegas gefällt, kritzelt eilig seine Bedingungen auf die Tischdecke: viel Geld und gute Konditionen für sich selbst stehen dabei an erster Stelle. Dafür verlangt die Hotelleitung eine lange und harte Vertragsbindung: einen Konzertplan, der sich für Elvis als zermürbend herausstellen wird.
Aber noch ist Elvis überglücklich, dass er zurück in sein Hauptelement gefunden hat, seine alten Fans nicht enttäuscht und ständig neue hinzugewinnt. 26. Januar bis 23. Februar: die zweite Konzertreihe beginnt in Las Vegas mit 57 Shows: Elvis steht täglich zweimal und sieben Tage in der Woche auf der Bühne des größten Showrooms in „Sin City“.
Auf der Bühne trägt er erstmals Jumpsuits, die ihm optimale Bewegungsfreiheit geben (vor allem während seiner Bewegungen zu „Suspicious Minds“ war schon einmal die eine oder andere Hose geplatzt): es sind einteilige Anzüge aus elastischem weißen Wollgabardine. Schöne Verzierungen, Troddeln, Gürtel sind so angebracht, dass sie seine Bewegungen akzentuieren. Jeder der in Las Vegas Rang und Namen hat wohnt diesem Ereignis bei, von Fats Domino bis Zsa Zsa Gabor, sind alle anwesend.
Als weibliche Fans an der Bühne um Küsse betteln, steht jemand sehr Bekanntes in der Reihe: Priscilla Presley, die ihren Mann privat nur wenig zu Gesicht bekommt. tl_files/Bilder/Biografie/astrodome.jpgGleich danach beginnt er - erstmals seit 1957 - wieder mit einer Tournee: 6 Konzerte im riesigen „Astrodome“ in Houston/Texas, mit insgesamt etwa 180 000 Zuschauern.
„Elvis war meisterhaft. Seine Stimme bleibt die beste in der Rock- und Popmusik, seine Bühnenbewegungen in perfekter Harmonie mit der Musik." Juni: lange Sessions im Studio in Nashville. Es entstehen 34 neue Songs aus den unterschiedlichsten Stilrichtungen, darunter ein beinahe wagnerianisch melodramatisches „I’ve Lost You“, in dem es um eine zerbrechende Ehe geht, sowie „Bridge Over Troubled Water“, „Walk A Mile In My Shoes“, Lieder, die ihm – und daher seinen Hörern – viel bedeuten.
10. August bis 8. September: Wieder in Las Vegas gibt Elvis hintereinander 58 neue, bahnbrechende Konzerte. MGM ist diesmal anwesend und dreht einen Dokumentarfilm: „Elvis – That’s The Way It Is“. Dieser Film vermittelt auch heute noch Elvis Presleys Magie. An den Gesichtern der Zuschauer erkennt man leicht, dass Elvis live ein geradezu wunderschöner Schock gewesen sein muss. Die anwesenden Musiker und Sänger sind zum großen Teil diejenigen, die ihn bis zum Ende begleiten werden, heute noch Stars, bekannt und beliebt in aller Welt.
Direkt danach geht es weiter auf Tournee: bei den insgesamt 8 Konzerten begeistert er Zehntausende von Fans zwischen Phoenix/Arizona und Mobile/Alabama. Gleiches spielt sich bei einer zweiten Tournee im November entlang der Westküste ab.
Im Dezember besucht der „amerikanische König“ spontan und heimlich den amerikanischen Präsidenten Richard Nixon. Diese Situation ist sehr bemerkenswert, da typisch Elvis und extrem protokoll-unüblich. Elvis umarmt Nixon und als dieser ihn auf seinen seltsamen Aufzug anspricht, erwidert Elvis: „Herr Präsident, Sie haben Ihre Show und ich meine.
tl_files/Bilder/Biografie/jaycees_award_elvis_podium.jpg Am 16. Januar nimmt Elvis ausnahmsweise persönlich eine Auszeichnung entgegen und hält dabei eine kleine Rede. Es ist der „National Jaycees Award“, der an die „10 Herausragende Junge Männer Amerikas“ des Jahres 1970 vergeben wird. Seit 1930 werden bedeutende Personen aus allen Bereichen für Errungenschaften und humanitäres Engagement geehrt. Zu den Preisträgern gehörten schon Leonard Bernstein, Nelson Rockefeller, Orson Welles, Jesse Jackson, Teddy Kennedy. Die Ausarbeitung der Rede hat Elvis die ganze Nacht gekostet. Sie verrät viel über ihn und ist auch heute noch inspirierend:
„When I was a child, ladies and gentlemen, I was a dreamer, I read comic books, and was the hero of the comic book. I saw movies, and I was the hero in the movie. So every dream that I ever dreamed has come true a hundred times. And these gentlemen over here [referring to the other winners of the award], you see these are the type of people who care, who are dedicated. You realize: even if it’s not possible that they might be building the kingdom of heaven, it's not far-fetched from reality. I'd like to say that I learned very early in life that 'Without a song, the day would never end/ Without a song, a man ain't got a friend/ Without a song, the road would never bend/ Without a song …’ So I keep singing a song.”
[Als ich ein Kind war, meine Damen und Herren, war ich ein Träumer. Ich las Comichefte und war der Held des Comics. Ich sah Filme and war der Held im Film. Jeder Traum, den ich jemals hatte, ist also hundertfach wahr geworden. Und diese Gentlemen hier [deutet auf die anderen Preisträger], sehen sie, sie gehören zu den Menschen, die sich kümmern, die sich engagieren. Man erkennt: auch wenn es ihnen wohl nicht möglich ist, den Himmel auf Erden zu schaffen, so ist es doch gar nicht so abwegig. Ich möchte sagen, dass ich schon früh im Leben gelernt habe: ‚Ohne ein Lied würde der Tag niemals enden / Ohne ein Lied hätte man keine Freunde / Ohne ein Lied würde der Weg sich niemals biegen / Ohne ein Lied ...’ Deshalb singe ich weiter ein Lied.]
Seit zwei Jahren schon erfüllt Elvis seinen Las Vegas-Vertrag und geht zwischendurch auf aufreibende USA-Tournee. Im Vorjahr waren es 153 Konzerte, in diesem Jahr sogar 165. Eine gute Vorstellung von einer solchen Tournee gibt die atemberaubende MGM-Konzertdokumentation „Elvis On Tour“, die prompt den „Golden Globe Award“ erhält.
Elvis, in seinen immer prächtigeren Kostümen, gewährt auch Einblick in die Routine vor und nach einem Konzert. Einzigartig ist dabei die Stimmung nach dem Konzert in den Hotelsuites, wo er mit Freunden und Sängern weiter singt oder nur zuhört, um die Konzertanspannung abzubauen: die Gospels sind sein „Beruhigungsmittel“. Sogar während eines Rockkonzerts bittet er einmal seine Backgroundsänger, das bekannte Quartett „The Stamps“, den Choral „Sweet Sweet Spirit“ zu singen, während er nur zuhört. Sein hingebungsvolles Gesicht dabei zu beobachten ist ein schönes Erlebnis.
Aber im Vergleich zu 1970 sind seine Bewegungen deutlich ruhiger, zwischendurch wirkt sein Gesicht blass und aufgedunsen, manchmal auch traurig. Sein drittes Gospelalbum, „He Touched Me“, wird sehr gelobt und bringt ihm seinen zweiten „Grammy“ ein.
Im Juni gelingt es Elvis als erstem Künstler, den „Madison Square Garden“ in New York City viermal hintereinander bis auf den letzten Platz zu füllen. Bei den Konzerten sind Kollegen wie Bob Dylan, Paul Simon, Art Garfunkel, George Harrison und David Bowie zugegen. Die als kritisch bekannte New Yorker Presse druckt enthusiastische Konzertbesprechungen und titelt z. B.: „Prinz von einem anderen Planeten“, „Talente reichlich intakt“.
Zu den verschiedensten Liedern, die er neu aufnimmt, gehört „Burning Love“, um das ihn sein Produzent bittet. Elvis muss sich dafür allerdings sehr zusammennehmen: Priscilla hat ihn verlassen. Obwohl seine eigene Untreue der Hauptgrund ist, merkt er jetzt erst, wie furchtbar er unter der Trennung von Frau und Töchterchen leidet.
Nach dem anstrengenden Triumph hätte Elvis unbedingt eine Pause gebraucht, aber stattdessen stürzt er sich geradezu in seine diesjährigen 166 Konzerte, die wieder alle im Voraus ausverkauft sind.
Innerlich ist er mit der offiziellen Scheidung von Priscilla am schlimmsten Tiefpunkt seit dem Tod seiner Mutter angelangt. Allerdings wird er durch seine sehr liebevolle und verständnisvolle Freundin getröstet. Linda Thompson ist nicht nur bildhübsch, sondern auch gescheit: sie weiß, auf was sie sich einlässt, denn sie kennt seine Schwächen. Viel schwerwiegender als seine kleinen Schwächen ist aber seine langsame Selbstzerstörung durch die überhöhte Einnahme von Medikamenten. Alles Dinge, über die Elvis nicht spricht.
Lindas Einfühlsamkeit, ihren gemeinsamen guten Humor und Religiosität wird er in den nächsten Jahren dringend brauchen. Was er niemals bekommen wird, ist heilende und strenge medizinische Hilfe.
In diesem Jahr schreibt er mit seinem Konzert „Aloha from Hawaii - Via Satellite“-Special Fernseh-Geschichte. Das erste Live-Konzert, das über Satellit rund um den Erdball übertragen wird. Schon seit längerer Zeit wird Elvis von allen Kontinenten angefragt und hat selbst durchaus den Wunsch, seine ausländischen Fans zu besuchen. Der Manager hält es allerdings nicht für durchführbar: „aus Sicherheitsgründen“ konnte eine Welttournee nicht stattfinden. Doch nun sollen alle getröstet werden: Am 14. Januar findet in der „Honolulu International Center Arena“ das Konzert statt, das von mehr Menschen gesehen in der Erstausstrahlung gesehen werden wird, als ein TV-Ereignis vorher – ein sagenhafter Rekord.
In Amerika hat dieses Konzert höhere Einschaltquoten als die erste Mondlandung und Elvis zeigt sich wieder in Top-Form. Noch nie hat ein Unterhaltungskünstler so sehr die ganze Welt in seinem Bann gehalten. Die Einnahmen in Honolulu stiftet er dem „Kui-Lee-Krebsfond“. Der Superstar steht in seinem Zenit.
Elvis hat ernstzunehmende Gesundheitsprobleme: Eine Augenkrankheit verschlimmert sich ständig, hinzu kommen sporadisch starke Bauchschmerzen und seine Schlaflosigkeit. Die Medikamente dagegen vertiefen den Teufelskreis: Schmerz- und Schlaftabletten, Abführ- und Aufputschmittel halten ihn leistungsfähig, geben der Erkrankung aber einen fatalen Verlauf. Dazu kommen Gewichtsprobleme, die durch veränderliche Wassereinlagerungen verursacht werden.
Sein Arbeitspensum verringert sich allerdings nicht: Manager Parker verkürzt zwar die Las Vegas-Gastspiele, aber nur um mehr Zeit für USA-Tourneen zu haben, die aufgrund der wesentlich größeren Arenen in den Millionenstädten lukrativer sind. Für Elvis, der sich manchmal wieder wie gefangen fühlt, ist jede andere Bühne schon eine willkommene Abwechselung. Und eines gibt dem geborenen Entertainer immer erneute Kraft: die Zuschauermengen nehmen nie ab. Im Gegenteil, es werden immer mehr.
Die Sicherheitslage ist etwas anders als in den ’50ern. Während gut eingespieltes Personal das normale Publikum unter Kontrolle hat, drohen nun gezielte Anschläge und Entführungen. Aber Elvis lässt sich durch nichts einschüchtern. Er reagiert mit schwerer Bewaffnung und weiterer Verteidigungsausbildung für sich und seine Leibwächter (offiziell gehört er bereits selbst zur Polizei). Wegen der Presse und seiner Fans kann er sich ja schon lange nicht mehr außerhalb seines Konvois bewegen. Scheinkolonnen müssen in alle Richtungen vorgeschickt werden.
Während seine Musiker beinahe unbehelligt Flughäfen nutzen können, muss er schon mal nachts stundenlang in einer abgedunkelten Kolonne durch Niemandsland fahren. All das ändert nichts daran, dass Elvis seine Fans genauso liebt und braucht wie sie ihn lieben und brauchen. Die meisten kommen immer wieder und staunen auch über sein enormes Gedächtnis: er erkennt sie und sagt ihnen von der Bühne aus, wo er sie zuletzt gesehen hat. Viele Scherze werden ausgetauscht. Seine Zuschauer sind sein Kontakt zur Außenwelt.
Musik und Stimme lassen nicht nach. Zahlreiche neue Lieder werden aufgenommen, darunter so unterschiedliche wie „Promised Land“, „Trouble“, „Hurt“, „Talk About The Good Times“, „Why Me, Lord?“. Mit vielen dieser Lieder kann Elvis seine wirkliche Stimmungslage sehr deutlich ausdrücken und seine Fans verstehen ihn: Trotz seiner Scherze zwischendurch machen sie sich Sorgen um ihn.
1975 wird er zweimal ins Krankenhaus eingeliefert und bleibt jeweils nur 2 Wochen, anstatt sich richtig auszukurieren. Die ausgefallenen Konzerte holt er nach... Im selben Jahr kauft er sich sein erstes Flugzeug, einen Langstrecken-Düsenjet, den er wunderschön einrichtet und auf den Namen „Lisa Marie“ tauft. Vorher vergewissert er sich, ob man damit nach Europa fliegen kann...