Was steckt hinter der Eheschließung von Michael Jackson und Lisa Marie Presley? Kühnste These: Missionsarbeit.
Die Reaktion klang nüchtern: "Nach unserer Ansicht sind Ehe und eine glückliche Familie die wertvollsten Bausteine einer stabilen Gesellschaft", so die Erklärung aus dem Hauptquartier der Scientology-Sekte in Los Angeles, "wir wünschen den Frischverheirateten das Beste für eine glückliche Zukunft." Der Rest sei Lisa Maries Privatsache.
Das kann nur feine Ironie gewesen sein: Nichts ist weniger privat als die bizarrste Eheschließung des Jahres, über die vergangene Woche seriöse Medien wie Klatschblätter rätselten: Die Hochzeit des King of Pop, Michael Jackson, 35, mit der Tochter des King of Rock, Lisa Marie Presley, 26.
Hinter dem kühlen Ton des Scientology-Kommentars verbirgt sich aber womöglich auch Triumph: Der größte lebende Popstar könnte bald auch der bekannteste Scientologe der Welt sein.
Jacksons Angetraute gehört der Sekte seit einigen Jahren an. Schon ihr Sohn Benjamin, 1, aus erster Ehe kam nach allen Regeln von Scientology zur Welt: "Das Baby wurde natürlich und in absoluter Stille in einer ruhigen und unterstützenden Umgebung geboren", verkündete damals Presleys Sprecher. Die Richtlinien zur Geburt, von Sektengründer L. Ron Hubbard in seinem Buch "Dianetik" vorgegeben, seien "streng eingehalten worden".
Wenn auch die Glamour-Verbindung den Scientology-Maßstäben gerecht werden soll, wird Jackson, nach den Glaubensregeln der Konkurrenz "Zeugen Jehovas" erzogen, wohl konvertieren müssen. Eine Ehe könne nicht funktionieren, so ein Scientologen-Handbuch, wenn ein Mitglied "mit jemandem verbunden ist, der repressiv oder antagonistisch zu Scientology oder deren Glaubenssätzen eingestellt ist". Wird der Titan mit der unsterblichen Musik also zum "Thetan" (Scientology-Rang) mit dem "unsterblichen Wesen" mutieren?
Gut möglich, daß Jackson (geschätzter Kontostand: 150 Millionen Dollar) sein Seelenheil auch finanziell absichert - das ist beste Kirchentradition. Lisa jedenfalls, so verkündete die Klatschpresse, habe schon einen Teil ihres Hundert-Millionen-Dollar-Vermögens gespendet. Schenkungen zwischen 250 000 Dollar und einer Million Dollar werden unter der zur Zeit höchsten "Kategorie E" notiert, der Spender darf sich mit dem Titel "Guarantor of the Church of Scientology Religious Trust" schmücken. Für eine Jackson-Gabe wäre wohl die Einführung der Kategorie F fällig.
Scheint ganz so, als hätten die Sektenstrategen in Los Angeles eine uralte Methode der Machterweiterung wiederentdeckt: Missionierung per Heirat oder Verwandtenakquisition - ein Modell, das christliche Kirchen jahrhundertelang erfolgreich praktizierten.
Lisa Maries Geschichte spricht dafür: Zuerst trat ihre Mutter, die Elvis-Witwe Priscilla, der Glaubensgemeinschaft bei. Dann, 1988, heiratete Lisa Marie den unbekannten Musiker Danny Keough, einen Scientologen, und folgte ihm zu den Zielen der Kirche: neben "Mach Geld, mach mehr Geld" (so eine Hubbard-Devise) auch die Reinigung des "reaktiven Bewußtseins" von schmerzvollen Erinnerungen und Gefühlen. "Mein Glaube", legte Lisa Marie Presley Zeugnis ab, "half mir, den Alkohol zu besiegen."
Der Rekrutierungstrick, so zeigen andere Prominentenpaarungen, funktioniert, gelegentlich gar als Kettenreaktion: Die Schauspielerin Mimi Rogers wurde Sektenmitglied, heiratete Tom Cruise, der trat auch bei und wurde, so seine Aussage, durch scientologygestärktes Selbstbewußtsein zum Hollywood-Star: Er ließ sich scheiden - und ehelichte Nicole Kidman, die sich nun auch zu Scientology bekennt. Bei der US-Scheidungsquote von 50 Prozent wäre nach diesem System in zwei, drei Generationen ganz Amerika Mitglied bei Scientology.
Auf den - erst vor kurzem wieder aus der Versenkung aufgetauchten - John Travolta wurde angeblich sogar die wenig erfolgreiche, aber um so schönere Schauspielerin _(* Mit Ehefrau Priscilla und Tochter Lisa ) _(Marie. ) und Scientologin Kelly Preston angesetzt, die den abtrünnigen "Saturday Night Fever"- und "Grease"-Star erst heiratete und dann für die Sekte zurückgewann. Die Gerüchte um Travoltas angebliche Homosexualität, möglicherweise von der Sekte erst gestreut, verstummten daraufhin.
Auf ähnlich entlastende Wirkung darf nun der in den Verdacht der Kinderschänderei geratene Jackson hoffen. Denn die Sekte hat puritanische Vorstellungen von Sex und Eheleben. Die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse beispielsweise, so ein Sektenexperte, spiele bei Scientology keine so große Rolle - für die Jackson-Presley-Ehe mag das durchaus hilfreich sein.
Scheußlichkeiten wie "Promiskuität", "irreguläre Praktiken" oder "freie Liebe" dümpeln bei 1,1 auf der scientologischen "Einstellungsskala", die von 0 bis 4 reicht; und wer an diesem traurigen Punkt angekommen ist, der werde "morgen, viel eher als er erwartet", so Sektengründer Hubbard, auf den "0,5 Level der Impotenz und Angst" absinken. Dann erwiesen sich die "Sexorgane" als "relativ nutzlos", und auch der Tod sei nicht mehr weit.
Vor alledem will Lisa nun den exzentrischen Popstar bewahren. Sie sei entschlossen, ihr Leben ganz dem Angetrauten zu widmen, erklärte sie. Schwanger, verkündete Bild, sei sie auch schon, und druckte ein Phantombild des Nachwuchses, der offenbar Jacksons operierte Nase erben wird. Was wiederum die Chance erhöht, daß Michael Jackson, für Höheres sozusagen prädestiniert, und seine Frau 4,0 Punkte auf der Einstellungsskala erreichen: Diese ultimative Stufe ist gekennzeichnet durch ein "intensives Interesse an Kindern".
Nur - wovon wird Jackson in Zukunft singen? Vom Glück der Monogamie? Oder von der Überlegenheit durch "sehr moralische Einstellungen gegenüber Sex"? Und, noch wichtiger: Was wird aus den Prachtstücken der Popgeschichte? Immerhin besitzt Lisa die Veröffentlichungsrechte an den Liedern von Elvis Presley, Michael hat die Rechte an fast allen Beatles-Songs gekauft und ist selbst schon Legende.
Jacksons Anhänger in Rußland jedenfalls fürchten Verrat am Pop. "Die Fans hier", so ein Zeitungskommentar, "würden es lieber sehen, wenn er alles auf einmal wäre - ein Schwuler, Kinderschänder und Serienkiller." Y * Mit Ehefrau Priscilla und Tochter Lisa Marie.